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Binwees – Der innovative Texteditor für Filmemacher

BFS Mitglied Oliver Driemel und seine Editor-Kollegin HelanNasso

BFS Mitglied Oliver Driemel und seine Editor-Kollegin HelanNasso

| Gespräche und Porträts
Dass BFS-Mitglieder ihre Kreativität nicht nur in Filmprojekten ausleben, zeigt „Binwees“

BFS-Mitglied Oliver Driemel und seine Editor-Kollegin HelanNasso haben zusammen mit einem befreundeten Programmierer eine Software entwickelten, die die Arbeit von TV-Redakteuren und Filmemachern erleichtern kann. Hier ist ihre Geschichte.

 

BFS: Es klingt ja zunächst mal verrückt, einen Texteditor zu erfinden, denn die halbe Welt arbeitet mit Microsoft Word und ähnlichen Tools. Könntet ihr in ein paar Sätzen erklären: Was ist Binwees? Für wen ist Binwees? Und was kann Binwees überhaupt, was andere nicht können?

Oliver: Binwees ist ein Textverarbeitungsprogramm speziell für den Einsatz im Dok-Film- und TV-Bereich. In erster Linie kann die Software den einmal eingegebenen Timecode (fast) selbst verwalten. Stell dir vor, du hast einen Text mit vielen Timecodes versehen, die passend zu deinem Film angelegt sind. Nun sagt dir dein Chefredakteur: „Das ist ein schöner Film, aber da bei Minute 2 ist ein Interview, das möchte ich gerne entfernt haben!“ Vermutlich hat er noch ein paar weitere Änderungswünsche – man kennt das ja…! Was passiert nun mit deinen ganzen Timecodes ab Minute 2, wenn du in deinem Schnittsystem den Film kürzt? – Alle deine Timecodes im Textdokument sind falsch und müssten angeglichen werden. Bei einigen Filmen reden wir hier von 200 bis 300 Positionen. Bislang musste man dies von Hand erledigen. Wenn man das als Redakteur vielleicht auch noch alleine (ohne einen Editorkollegen) erledigen muss, dann dauert das manchmal mehrere Stunden. Wenn du aber das Glück hast mit Binwees zu arbeiten, dann erledigt das Tool die Arbeit für dich von selbst. Du entfernst die besagte Interviewpassage ganz einfach auch in deinem Binweesprojekt und alle folgenden Timecodes werden automatisch angepasst.

 

BFS: Das hört sich nach einer enormen Erleichterung an!

Helan: Genau! Binwees ist im Grunde eine Analogie zum Non-Linearen Schnittsystem. Und natürlich funktioniert es auch, wenn man etwas einfügt, verkürzt, verlängert oder verschiebt. Natürlich müssen solche Veränderungen in der gleichen Reihenfolge wie die Arbeiten am Film vorgenommen werden. Das funktioniert am besten sofort parallel während des Umschnitts. Optional könnten die Änderungen am Film auch protokolliert und dieses Protokoll dann in der chronologisch gleichen Reihenfolge abgearbeitet werden.

 

BFS: Was kann Binwees noch?

Helan: Binwees hat noch eine Textlängenwarnung. Diese funktioniert ganz schlicht über ein Ampelsystem. Wenn du einen Sprechertext verfasst, schreibst du den in eine bestimmte Passage, die du mit einer Länge versehen hast - natürlich passend zum Film! Wenn dein Text nun zu lang wird, wird die Ampel zunächst orange und dann rot. Orange bedeutet: Der Sprecher sollte sich beeilen. Rot bedeutet: Der Text wird auf gar keinen Fall mit einer noch halbwegs vernünftigen Sprechgeschwindigkeit in dieses Zeitfenster passen. Entweder muss man also seinen Text kürzen, oder man muss den Film an dieser Stelle verlängern. Aber der große Vorteil: Das Problem tritt nicht mehr während der Sprachaufnahme auf. Es ist nämlich ein großes Ärgernis, wenn es erst dann bemerkt wird, vor allem für die Sprecher, die da mit ihren schön warmen Kopfhörern sitzen…!

Oliver: Das dritte große Feature ist die optionale Text-Video-Verknüpfung. Es kommt sehr häufig vor, dass der Film gar nicht am Schnittplatz getextet wird. Häufig werden Quicktimes oder ähnliche Formate exportiert, die der Autor zur Verfügung gestellt bekommt und dann sitzt der zu Hause an seinem Laptop und öffnet sich erstmal den VLC-Player. Und dann öffnet er sich natürlich noch sein Textverarbeitungsprogramm und muss dann immer zwischen den beiden Tools hin- und herspringen. Außerdem muss er im Player immer an die passende Stelle springen. Ich musste selbst noch nie einen ganzen Text schreiben, aber ich habe das mal ausprobiert und es nervt wahnsinnig! Wir haben uns gedacht: Warum kann man das nicht in einer Software lösen? Aber wir sind noch einen Schritt weiter gegangen: Man kann in Binwees nämlich Text und Video miteinander verknüpfen. Wenn man also an eine bestimmte Stelle im Text springt, dann springt auch der Videoanzeiger genau an diese Position.

 

BFS: Das klingt in der Tat praktisch. Nun ist Binwees ja überhaupt keine Software für eure eigene Berufsgruppe. Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, für Autoren und Texter ein solches Tool zu entwickeln?

Oliver: Wir sind ja beide gelernte Editoren. Über die Jahre trifft man da auf so manchen Redakteur und seine Sorgen. Ein wiederkehrendes Thema war das schon angesprochene Timecode-Problem. Und als mich Helan dann an zwei aufeinanderfolgenden Tagen „genervt“ hat, dass man da doch mal was machen müsste, weil die aktuelle Redakteurin ihr mal wieder ihr Leid geklagt hat, da haben wir uns noch am selben Abend hingesetzt und haben eine erste Zeichnung gemacht. Das war im Dezember 2014.

Helan: So ein Redakteur ist ja immer auch ein Kunde und wenn man seinen Job ernst nimmt, dann will man seinen Kunden glücklich machen. Wir hoffen also, dass wir jetzt viele Filmemacher glücklich machen werden.

 

BFS: Programmiert ihr die Software eigentlich selbst?

Oliver: Nein, wir haben vor einiger Zeit die Binwees GmbH gegründet, zusammen mit unserem Programmierer Michael. Zu Beginn gab es die Idee, eine Onlinelösung zu erstellen. Es gab einige Argumente, die dafür sprachen, aber auch einige, die für eine reine Softwarelösung sprachen. Wir haben uns schließlich für die Softwarevariante entschieden und es gibt sowohl eine Mac-, als auch eine Windows-Version, worauf wir auch sehr stolz sind, weil es nicht ganz selbstverständlich ist, von Anfang an beide Welten zu bedienen.

 

BFS: Wie lange hat es gedauert von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung?

Helan: Es müssten knapp 4 Jahre sein. Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir alle drei unsere regulären Jobs haben und Binwees nur in unserer Freizeit vorangetrieben haben. So kam es auch, dass wir mehrfach das Release-Datum verschieben mussten, weil wir hier und da noch Dinge optimieren wollten. Aber nun haben wir es tatsächlich geschafft, wir verlassen unsere Komfortzone und starten die Betaphase mit Kollegen aus ganz Deutschland. Hierzu kann man sich gerne auch noch anmelden unter www.binwees.de !

 

BFS: Wie waren die ersten Reaktionen?

Oliver: Die meisten Leute erledigen ihre Beitragstexte mit Word. Jeder hat dabei eine andere Herangehensweise. Manche setzen erst Timecodes, manche schreiben erstmal nur Texte, usw. Das sind zunächst mal Aufgaben, die man auch auf einer blanko Word-Seite erledigen kann. Und nun muss man sich ein wenig mit ganz neuen Features beschäftigen. Nach einiger Zeit, wenn man sich an die Binwees-Oberfläche gewöhnt hat und der ein oder andere Shortcut genutzt wird und Vertrauen aufgebaut ist, erkennt man wie schnell sich plötzlich texten lässt. Spätestens wenn es um das Verschieben, Löschen und Einfügen von Passagen geht oder auch der Verlinkung von Text und Video, sind alle begeistert.

 

BFS: Was bedeutet eigentlich „Binwees“?

Oliver: Helan hat kurdische Wurzeln, sie kann es am besten erklären.

Helan: Es ist eigentlich ein ganz schlichtes kurdisches Wort, wir haben es lediglich in seiner Schreibweise verändert. “binivîse“ bedeutet „schreib“.

Projektvorstellungen unserer Mitglieder

Binwees – Der innovative Texteditor für Filmemacher

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