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David Wieching über preisgekrönte „Einspielerschleife“ aus NEO MAGAZIN Royale

David Wieching, Foto: Tillmann Seidel

David Wieching, Foto: Tillmann Seidel

| Gespräche und Porträts

David Wieching Preisträger des Deutschen Kamerapreises 2017 Schnitt für „ NEO MAGAZIN Royale – Talk mit Anne Will“ (ZDF)

Die Sendung NEO MAGAZIN ROYALE ist eine von Jan Böhmermann moderierte klassische Late Night Show. Sie wird wöchentlich auf ZDFneo ausgestrahlt sowie in der ZDFmediathek zum Abruf bereitgestellt und hat eine Sendelänge von 44:30min. Das Team der bildundtonfabrik (btf GmbH) aus Köln-Ehrenfeld produziert die Sendung, sie beinhaltet in der Regel ein oder zwei Einspieler in Länge von 2-5 min. Die im Juni 2017 in der Kategorie Kurzfilm ausgezeichnete „Einspielerschleife“ aus der Sendung vom 7. April 2016 ist allerdings knapp 13 Minuten lang.
Es empfiehlt sich, diese vor dem Weiterlesen anzuschauen.

BFS: Erstmal herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis 2017. Wir haben den Film erst nach der Nominierung gesehen und waren beeindruckt, aber auch leicht irritiert und schließlich begeistert. Wow, sowas Durchgeknalltes existiert in der deutschen Fernsehlandschaft - toll!

David Wieching: Ja, vielen Dank. Dieser Einspieler war Teil des NEO MAGAZIN ROYALE, welches  eine Woche nach dem Schmähgedicht und der darauf folgenden Klage gesendet wurde. Deswegen wurde er leider nicht wirklich wahrgenommen. Dabei war es eine länger geplante Nummer. Umso schöner, dass es nun im Nachhinein so viel Aufmerksamkeit dafür gibt. Neben dem Deutschen Kamerapreis wurde die „Einspielerschleife“ auch mit dem Grimme Preis in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet.

BFS: Kannst du etwas von dem Arbeitsprozess erzählen? Gibt es ein Drehbuch?

DW:  Generell arbeiten an jeder Sendung ein Team von mehreren Autoren. Die Ideen werden in die Runde getragen und gemeinsam weiterentwickelt. Bei diesem Einspieler hatten Florentin Will und Stefan Titze den Hut auf und viel Freiheit vom Creative Producer Philipp Käßbohrer und Jan Böhmermann bekommen. Es gab also den ganzen Einspieler als Drehbuch. Die Autorenleistung, die darin steckt, ist einfach enorm.

BFS: Und wie sieht der Weg vom Skript zum Schnitt aus? Wie viel Gestaltungsraum hat der Editor bei diesem Format?

DW: Wie gesagt, es gab alles komplett in Skriptform. Dennoch habe ich im Schnitt immer einen großen Gestaltungsraum und es ist gewünscht, dass im Schnitt noch viel entsteht. Die Herausforderung war vor allem das Timing zwischen den ganzen Metaebenen. Wie lange hält man eine einzelne Nummer? Wenn wir beispielsweise zwischen Bildstörung und Bergdoktor-Szene hin und her schneiden: Wie viele Wechsel gibt es? Da haben wir eine Szene wieder rausgeschmissen, die noch im Skript und in der Auswahl war, weil wir dem Zuschauer dann doch nicht so viel vom Bergdoktor zumuten wollten. Die Hauptaufgabe war letztlich, die vielen einzelnen Blöcke in eine ausgewogene Form zu bringen, damit sich der Film über 13 Minuten als ein Ganzes anfühlt.

BFS: Seid ihr ein größeres Editoren-Team? Wie ist die Zusammenarbeit?

DW: Ich bin festangestellt bei der btf und wir haben eine 20 köpfige Postproduktion. Davon sind einige aus dem gestalterischen 2D- und 3D Bereich, eine Tonabteilung und mittlerweile 4 feste Editoren. Manchmal arbeiten wir auch mit Freien zusammen. Als ich vor drei Jahren angefangen habe, war ich der Erste, der nur für den Schnitt dazu geholt wurde. Der Schritt zur Festanstellung bei btf war für mich etwas Besonderes. Dadurch dass wir viel und verschiedene Formate produzieren, habe ich in den letzten drei Jahren so viel gelernt wie nie zuvor. Die Leidenschaft war sowieso da und das Talent scheint auch zu stimmen – aber die letzten drei Jahre waren eine Art Reifeprüfung. Jetzt weiß ich: Das will ich machen und dabei bleibe ich.

BFS: Wie lang war die Schnittzeit?

DW: Das habe ich mal versucht zu rekonstruieren. Es ist ja schon etwas her… Ich denke, dass wir alle zusammen weniger als 10 Tage daran gearbeitet haben. Ein Kollege hatte zum Ende der Woche in Blöcken grob anleget und angefangen vorzuschneiden. Dann bin ich eingestiegen, aber diese Teamarbeit hat sich weitergezogen, so dass wir immer parallel daran gearbeitet haben und bei mir alles zusammen lief. Wie das nunmal so ist, es war eine Teamleistung und der Preis geht an mehr Finger, die daran beteiligt waren. Neben mir drei weitere Editoren, mindestens drei Kolleginnen und Kollegen aus dem 2D/3D Bereich, zB für das Compositing…  immer wenn Jan Böhmermann bei Anne Will oder Markus Lanz im Studio sitzt, wurde vor Grün gedreht. Sieht man jetzt nicht mehr. (lacht)

BFS: Und hast du mit dem Regisseur oder dem Autor zusammen im Schnitt gesessen?

DW: Mit Beiden. Wir saßen durchgehend mit Nico Berse (Regie), Florentin Will und Stefan Titze zusammen, haben gemeinsam eine Fassung erarbeitet, die wir gut fanden, und dann ging diese zum Creative Producer Philipp und zu Jan. In diesem Fall hatten wir besonders viel Freiheit, weil alle mit anderen Dingen beschäftigt waren, so kurz nach dem Schmähgedich.

BFS: Und wie ist das mit dem Sounddesign?

DW: Wir haben bei btf ein Tondepartment, aber ich erarbeite am liebsten die Vertonung selber und bereite meinen Schnitt auch auf der Tonebene soweit vor, dass wir in der Mischung eher darüber sprechen, ob wir Sounds ersetzen und ergänzen, aber nicht erst an diesem Punkt damit anfangen. In diesem Einspieler hatte ich eine Menge vorgebaut. Und dann saßen in einer Nachtschicht vor der Sendung nochmal zwei Kollegen daran und haben es verfeinert.
Das war schon mit der heißen Nadel gestrickt. Ich glaube, die Finale Tonfassung haben wir sogar erst in den Sendungsschnitt gegeben. Wir hätten wahrscheinlich noch ewig weiter frickeln können, aber wir haben mittlerweile gelernt, etwas aus Zeitgründen so zu lassen, wie es ist.

BFS:  Den Zeitdruck sieht man dem fertigen Film nicht an.

DW: Das liegt an dem gut vorbereiteten Buch. Ich finde, gerade bei Comedy sieht man sehr genau, ob Sachen am Ende im Schnitt gerettet werden mussten oder ob es einfach läuft.

BFS: Die „Einspielerschleife“ wirkt wie eine Parodie auf das Medium Fernsehen und ist gleichzeitig Teil desselben. Habt ihr während der Arbeit schon über diesen Aspekt gesprochen?

DW: Ich glaube, es gab keine Agenda der Medienkritik. Das NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann hat oft einen selbst-referenziellen Touch. Daher reflektieren wir natürlich in den meisten Einspielern die mediale Welt, mit der wir tagtäglich zu tun haben.

BFS: Und gleichzeitig ist es eine Aufforderung an den Zuschauer darüber nachzudenken. Wie lautet nochmal der Schlusssatz des Einspielers? „Die Show ist jetzt zu Ende. Die Wirklichkeit geht wieder los.“

DW: Es gibt auch einen Satz von Jan in der Bar: „Oh, mal gucken, was die Kanzlerin dazu sagt…” Das sind dann natürlich Sachen, die aus aktuellem Anlass eingeflossen sind, so auch der Schlusssatz. Danach wurde die Sendung ausgesetzt, vorgezogene Sommerpause. Wir brauchten einfach mal eine Pause von der ganzen medialen Hysterie. Und der Einspieler spiegelt dieses Grundgefühl wieder - vielleicht auch etwas unfreiwillig.