Berlin, den 20.03.2020
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Monika Grütters, sehr geehrter Herr Arbeitsminister Hubertus Heil, sehr geehrter Herr Finanzminister Olaf Scholz,
wir schreiben Ihnen als zentrale Verbände der freiberuflichen Künstler, der Solo Selbständigen und Kleinunternehmer im Film- und TV-Bereich. Wie Sie wissen, werden nicht nur alle Veranstaltungen, Konzerte, Aufführung und dergleichen abgesagt, sondern auch alle Dreharbeiten. Während viele Veranstalter und Firmen konkrete Hilfen in Aussicht gestellt bekommen haben, stehen Tausende von Künstlern auf der Straße.
Wir begrüßen daher die aktuellen Signale der Politik, dass sie zur Soforthilfe auch für Solo-Selbständige und Kleinunternehmen bereit ist, und machen an dieser Stelle nochmals nachdrücklich darauf aufmerksam, dass diese Hilfen zwingend auch Sondermittel für den Kultur- und Medienbereich mit einschließen müssen. Im Kultur- und Medienbereich gibt es zudem vorhandene, effiziente Strukturen, die Sondermittel ggf. schnell und zuverlässig verteilen könnten, wie z. B. die Verwertungsgesellschaften.
Im nächsten Schritt geht es um die Frage des Wie. Der Bundesverband Regie BVR und die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm AG DOK haben auf diese Frage Antworten entwickelt, die gemeinsam von uns Verbänden getragen werden.
Die Bundesregierung hat mit der Regelung der Erweiterung der Kurzarbeit für Angestellte eine Regelung getroffen, die Weiterzahlung der Sozialabgaben und die Auszahlung von 60 % des Einkommens ermöglicht.
Die Frage, die uns bewegt ist, ob nicht eine ähnliche Regelung mit Hilfe der KSK zuwege gebracht werden kann und / oder, ob die KSK nicht bei einer ähnlichen Regelung eine zentrale Rolle spielen kann. Schließlich sind alle relevanten Künstler in ihr vertreten und haben ihr erwartetes Jahreseinkommen dort angemeldet.
Zwar sind die meisten Kulturschaffenden daran gewöhnt, mit flexiblen Zeitplänen und schwankendem Einkommen umzugehen. Das Problem aktuell ist aber, dass durch den Stillstand über die gesamte Kulturlandschaft hinweg nicht nur Einkommen wegbrechen, sondern auch die Ausweichmöglichkeiten wegfallen, um Verdienst- und Honorar-Ausfälle kompensieren und die Lebenskosten und den laufenden Solo-Betrieb finanzieren zu können.
Daher sind wir heute in einer völlig neuen Situation. Und sie ist existenzbedrohend für die meisten Kulturschaffenden.
Ebenso muss bedacht werden, dass die saisonalen Gegebenheiten der Branche
– die Arbeit findet i.d.R. von Frühling bis Herbst statt – dazu führt, dass die Corona-Krise just in die Zeit fällt, in der wieder neues Geld verdient werden kann Diese Möglichkeit ist aber durch die Absagen der Produktionen abgeschnitten. Zudem entfallen für einige vom Drehbeginn abhängige, z. T. hohe Raten für bereits geleistete Arbeit.
Der Vorschlag ist:
1. Übernahme der Sozialversicherung für die Kunst und Kulturschaffenden
Der Bund übernimmt alle Zahlungen, die normalerweise von den Mitgliedern der KSK zu leisten sind (Anteile der Kranken- und Pflegeversicherung und Anteile der Rentenversicherung). Vorteil: sofort um- setzbar, ohne Anträge, Sicherung der bestehenden Niveaus, keine Absenkung der Leistungen für die Berechtigten der KSK.
Dies bedeutet, dass niemand gezwungen ist, seine sozialen Sicherungen im Hinblick auf die Krankenkassen und die Rente aufzugeben – auch nicht zeitweise.
Alternativ, aber natürlich nicht annähernd so hilfreich:
Die KSK verzichtet für die Zeit der Krise auf das für die Versicherung notwendige Mindestarbeitseinkommen von 3.900 Euro p.a.
Diese Vorschläge können von der KSK verwaltungstechnisch (relativ) einfach umgesetzt werden.
2. Der Bund „schießt“ 60 % des gemeldeten, vorabgeschätzten Einkom- mens (alle Zahlen liegen der KSK vor) zu und zahlt diese monatlich für die Zeit der Krise aus. Übernimmt quasi die Funktion, die der Arbeitsgeber übernehmen würde – was in anderen Teilen ja bereits der Fall ist.
Da sich das für die KSK geschätzte Jahreseinkommen auf das netto Einkommen der Filmurheber bezieht, viele der im Brutto Einkommen enthaltenen Kosten für Büro, Technik, betrieblicher Pkw sowie Lizenz und Kommunikationskosten aber weiterlaufen, wäre ein
Mindestbetrag von € 1.500,- /Monat
notwendig. Nur so können private Insolvenzen von Urhebern vermieden und gesichert werden, dass das Kunst- und Kulturschaffen nach der Krise weitergehen kann.
Eine solche Maßnahme kann die KSK mit ihren Mitteln verwaltungstechnisch nicht bewerkstelligen. Es muss eine andere Auszahlstelle damit beauftragt werden. Die amtliche Information zum geschätzten Jahreseinkommen eines jeden Künstlers kann dabei aber Verwendung finden. Das entsprechende Schreiben der KSK dazu liegt jedem KSK Versicherten seit Januar 2020 vor.)
Die Verwertungsgesellschaften sind die idealen Ansprechpartner, hier zu helfen und sind bereits im Gespräch.
Da von dieser Regelung nicht alle im Bereich Film betroffen sein können, möchten wir Sie bitten, Folgendes zu überlegen:
3. Der Anwendungsbereich nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wird inhaltlich erweitert, damit Arbeitnehmer und auch Selbstständige Ansprüche gem. § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG geltend machen können. Dieses sollte auf Maßnahmen nach § 28 IfSG (betriebliche Schließung) erweitert werden (was jetzt nicht der Fall ist).
Für Arbeitnehmer würde dann gelten: Ausgezahlt werden die Beträge für bis zu sechs Wochen vom Arbeitgeber (§ 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG), aber nicht über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus. Dieser hat sodann einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde (§ 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG).
Ab der siebten Woche muss der Antrag auf Auszahlung der Entschädigung vom Betroffenen selbst bei der zuständigen Behörde gestellt werden (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG).
Wir bitten,
4. die Betriebe auch bei projektbezogener Arbeit – und diese sind do- minant im Bereich Film – ansonsten, die Möglichkeiten der Kurzarbeit auch auszunutzen.
D.h. den Mitarbeitern nicht zu kündigen, sondern Ihnen die Möglichkeit zu geben, die bestehenden gesetzlichen Regelungen mit Hilfe der Arbeitgeber in Anspruch nehmen zu können.
Uns ist bewusst, dass z. Zt. viele Vorschläge und Ideen an Sie herangetragen werden und dass es leider aufgrund der vielen spezifischen und äußerst heterogenen Branchenübungen nicht eine Lösung für alle geben kann.
Allein im Bereich Film sind Freiberufler und Arbeitnehmer ca. je hälftig vertreten, gibt es Urheber, die mit einem Projekt pro Jahr ihr Jahreseinkommen verdienen, während andere viele kleinere Projekte realisieren. Daher sind die Auswirkungen jeweils auch so unterschiedlich. Dies haben wir versucht, mit den unterschiedlichen Vorschlägen zu berücksichtigen.
Für alle Kulturschaffenden ist eine schnelle und unbürokratische Lösung nötig, um über die kommenden Monate nicht nur die Lebenshaltungskosten, sondern auch die Sozialkassen-Beiträge und die Produktionsmittel zu sichern.
Wir würden uns sehr über eine Rückmeldung freuen und verbleiben mit den besten Grüßen.
Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Grünberg David Bernet Jobst Oetzmann Für den Vorstand BVR Für den Vorstand AG DOK Beirat BVR
Der Bundesverband Regie e.V. (BVR) ist der Berufsverband der Film- und Fernsehregisseure. Er wurde 1975 gegründet und hat mehr als 600 Mitglieder. Er ist einer der ältesten und größten Filmurheberverbände. Ehrenpräsidenten sind Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta und Michael Verhoeven. Den Vorstand bilden Matthias Greving, Cornelia Grünberg, Stefan Hering, Stefan Lukschy und Satu Siegemund.
Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V. ist mit über 800 Mitgliedern Deutsch- lands größter Filmverband. Filmschaffende aller Professionen und Sparten wie RegisseurInnen, ProduzentInnen, AutorInnen, EditorInnen, Ton- und Kameraleute sind in der AG DOK organisiert.
Der Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V. (VDD) hat über 500 Mitglieder und vertritt die Interessen der Drehbuchautor*innen gegenüber den Sendern, der Filmförderung, der Branche sowie Öffentlichkeit und Politik national wie international. Die vom VDD vertretene Berufsgruppe legt den Grundstein für über 100.000 Minuten auf Drehbüchern basierende Fiktion, die jährlich in Deutschland produziert werden.
Der Berufsverband Kinematografie ist die maßgebliche Vertretung der freischaffen- den bildgestaltenden Kameramänner und -frauen in Deutschland und ihrer Mitarbeiter/innen. Über 500 Mitglieder in verschiedenen Arbeitsfeldern der Kinematografie sind im BVK organisiert und werden in berufspolitischen und urheberrechtlichen Fragen durch ihren Verband vertreten. Der BVK ist in der Politik und der Filmbranche als kompetenter Ansprechpartner anerkannt und bietet mit über 50 Firmenmitgliedern auch eine exzellente fachliche Vernetzung im Bereich der Hersteller und Dienstleister.
Mit 600 Mitgliedern ist der Bundesverband Filmschnitt Editor e.V. (BFS) eine der größten Berufsvereinigungen der Medienbranche. Der BFS wurde 1984 gegründet und vertritt die in Deutschland tätigen Filmeditor*innen und Schnittassistent*innen.
Der BFS vertritt die Interessen der Filmeditor*innen gegenüber TV-Sendern, Online- Plattformen, Produzenten, der Film- und Werbewirtschaft, den Förderanstalten, Gewerkschaften sowie Ministerien und gesetzgebenden Körperschaften.
Der VSK ist eine 1983 gegründete Interessensvertretung der Filmberufe Szenenbildner, Filmarchitekt und Kostümbildner. Er ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in München, der in ehrenamtlicher Arbeit von einem gewählten Vorstand geleitet wird.
Die Bundesvereinigung Maskenbild e.V. ist ein Zusammenschluss von Film- und Fernsehschaffenden Maskenbildnern und Theatermaskenbildnern im gesamten Bundesgebiet.
Der CC Composers Club e.V. ist der Berufsverband der Auftragskomponisten in Deutschland und mit knapp 300 Mitgliedern Deutschlands größter Medien-Komponistenverband. Er vereint Komponisten aus den Bereichen TV-Film und -Serien, Film, Do- kumentation, Werbung, Pop-Produktion, Sound-Branding etc.